Ende 2019 übernahmen wir von einem befreundeten Tierheim in Deutschland zwei junge circa 6 Monate alte Weimaranermix-Mädchen.
Wir nannten sie Gitty und Conny.
Die Schwestern zeigten extremes Angstverhalten. Sie kamen von einem Vermehrer und hatten keinerlei Prägung zum Menschen. Die Hunde erstarrten in Panik nur beim Anblick eines Menschen. Artgenossen waren ihnen wohl vertraut. Schnell wurde auf der Pflegestelle in der Zentrale klar – das wird ein langer und harter Weg der Prägung und Sozialisation.
Gitty und Conny wurden im Pflegestellenrudel der Krambambullizentrale souverän aufgenommen. Die versierten Althunde, allen voran der Leitrüde Bran, nahmen sich dieser armseligen Geschöpfe an und gaben den zwei Mädchen von Anfang an Sicherheit und Führung. Die Junghunde nahmen Kontakt auf mit den Artgenossen, zeigten Vertrauen und Sicherheit. Bei Pflegemama und fremden Menschen sah es da noch anders aus. An ein Herankommen oder Anfassen war nicht zu denken. Die Sicherheit des Hauses lernten sie aber schnell. Pflegemutter Gabi Winter wurde eine Bezugsperson, wenn auch auf Abstand aber nach 4 Wochen verkroch man sich nicht mehr unter einem Tisch sondern konnte nachts im Körbchen mit Sicht auf die Pflegemutter schlafen. Gitty und Conny entwickelten aber Fremden oder auch ihnen schon vertrauten Personen ein ausgeprägtes Bellen, besonders Gitty konnte dann auch Scheinattacken reiten und schon mal Besucher stellen. Wenn Gabi Winter ein Unterbrechungskommando gab, war Ruhe aber angenehm war dieses Unsicherheitsverhalten nicht, besonders da die zwei zusammen stark waren. Einzeln konnte man wesentlich besser auf die Hunde einwirken. Es war klar das beide einzeln trainiert und gefördert werden müssen. Eine leichte Berührung liessen die Hunde nach wenigen Wochen zu aber nur von Pflegemutter oder unseren Gassimädchen, bzw vertrauten Personen. Eine Zwangskorrektur mit Zwangsbeschmusung und das Geschirr anlegen in Panik und unter enormem Druck lehnte die Pflegemutter ab. In der Krambambullizentrale wird mit Konsequenz und Regeln geprägt aber niemals unter Zwang und Druck.
Nach einigen Monaten waren die Junghunde inzwischen zu stattlichen Schönheiten herangewachsen, ihre Farbe changierte je nach Lichteinfall von Rotbraun auf Grau und sie wurden richtige Athletinnen durch die viele Bewegung auf dem grossen Gelände innerhalb des Rudels.
Im Spätsommer des letzten Jahres hatte Pflegemutter den Vertrauensstatus, das zuerst bei Gitty das Sicherheitsgeschirr angelegt werden konnte. Die ersten Leinengänge gestalteten sich als schwierig aber mit einem vertrauten Rudelmitglied und dem Trainer wurde es bewältigt. Dann kam der Zeitpunkt bei Gitty wo sie über den Grat hinübermarschierte. Von da an ging es mit fast täglichen Erfolgserlebnissen bergauf. Ja Geschirr anlegen war noch immer ein Thema wo sie erstarrte aber dann konnte es nicht schnell genug hinausgehen in den Spaziergang mit erhobener Rute, Nase unten, in neuer Umgebung und neuen Situationen. Tapfer marschierte unsere Lady durch die Umgebung der Zentrale und kämpfte sich in die Welt. Auch das Autofahren, der Gang zum Tierarzt mit Kastration – alles hat Gitty bewältigt. Immer natürlich kleine Rückschläge aber die Richtung war eindeutig. Das Verhältnis der Schwestern zu Ihrer Pflegemama war von enger Bindung geprägt und zuletzt sogar von körperlicher Nähe. Es kam der große Zeitpunkt erster Interessenten. Uns war klar, das zukünftige Besitzer unsere Arbeit weiterprägen und auch dazu im Stande sein müssen. Vom wunderschönen Äusseren dieser beiden Hunde durfte man sich nicht täuschen lassen, es sind Jagdhunde und sie haben Weimaranerblut. Sorgfältig ausgesuchte Interessenten für Gitty kamen uns ein erstes mal besuchen, mussten artig auf der Couch sitzen und Gitty mit Sicherheitsabstand besuchen. Freiwillig zu Fremden – niemals hätte Gitty dies gemacht. Beim zweiten Besuch war ein gemeinsamer Spaziergang mit Trainer angesagt. So bauten wir auf und nach einigen Besuchen merkte man ein Vertrauensverhältnis, Gitty wurde gekrault und zeigte Sicherheit. Die letzten Spaziergänge wurden von den zukünftigen Besitzern auch schon mal alleine bewältigt. Nach Wochen kam der große Tag: Pflegemutter und Trainer fuhren mit Gitty in ihr neues Zuhause. Dort ist Gitty nach drei Monaten inzwischen mehr als angekommen. Die Geduld und Liebe der Besitzer haben sich ausgezahlt. Gitty läuft inzwischen im Freilauf ist absolut souverän mit Artgenossen, wird beschäftigt und ist im Haus ein Kuschelbär.
Gitty:
Nachdem Gitty bravourös ihren Weg gegangen ist, beschäftigten wir uns intensiv mit Conny. Sie zog um in das Haus unseres Trainers und seiner Ehefrau , lebte dort mit drei anderen Hunden und mehrfachem täglichem Training an der Leine. Conny entwickelte sich schneller. Das war klar, ihre Schwester war nicht mehr da – hinter ihr konnte man sich immer gut verstecken und sie meisterte die neue Umgebung mit anderen Hunden und mehr Fürsprache. Auch Conny ist Ihren Weg gegangen. Sie lebt heute in Zürich in der Schweiz. Auch ihre Besitzer wurden sorgfältig ausgewählt und wussten genau das sie noch viel Sicherheitsarbeit leisten müssen.
Conny:
Beide Hunde haben über ein Jahr bei uns gelebt, viel Angst aber auch Mut und Vertrauen gehabt.
Mit diesem Bericht möchten wir aufklären zum Thema Angsthund. Ein sogenannter Angsthund besteht aus Isolation und Agression. Es benötigt ein langjähriges Wissen um die Verhaltensweisen dieser Hunde. Es benötigt Zeit und Geduld. Es benötigt Platz zum Ausweichen und Ruhe und Vertrauen zu fassen. Es benötigt Equipment, wie absolut passende Sicherheitsgeschirre und Doppelleinen. Und es braucht klare alltägliche Abläufe und Strukturen. Solche Hunde in Direktvermittlung zu geben ist sträflichst. Ein privater Hundehalter der einen Angsthund direkt übernimmt agiert aus Mitleid und das geht nicht gut. Trotzdem brauchen gerade diese Hunde auch eine Zukunft und für den Tierschützer sollte diese Arbeit eigentlich die edelste Form des Tierschutzes sein. Krambambulli hat sich dem Angsthund in all seinen Formen immer gestellt aber auch unsere Möglichkeiten sind begrenzt.
Bei CONNY und GITTY ist es uns wieder einmal gelungen.
Glück auf all Euren Wegen Mädies!